06:46 | Friederike Prassl

Während unter mir das Uhrwerk werkt und es genau 8 mal schlägt, sitze ich mit dampfenden Kaffee an meinem Geburtstag im Stübchen hoch im Turm. Es ist ein Privileg, ich fühle mich beschenkt. Als ich kam, lag die Stadt unter uns im dichten Nebel, jetzt sehe ich sie klar, aber es ist ein typischer Novembertag – trüb und feucht. Die Sonne mag wohl aufgegangen sein – allein, ich sehe sie nicht. Ich stand also da im Shelter, mit dem Lichtband im Rücken und sollte über die Stadt wachen – und sah sie nicht, so reflektierte das Glas vor mir das Licht. Und mit dem sich bescheiden mit dem, was da war, sah ich sie plötzlich beschränkt auf den Inhalt meiner Silhouette. Ich konnte die Stadt sehen, aber nur durch mich, während ich zugleich unsichtbar wurde. Die Stadt, meine Heimatstadt, erfüllte mich zur Gänze und ich verschwand in ihr. Ein Tagpfauenauge gesellte sich für einen fröhlichen Moment zur Stadt. Als es Tag wurde, löste sich mein Spiegelbild auf im Abbild der Stadt, in die ich jetzt zurückkehren werde.