19:48 | Mirella Kuchling

In Scharen hocken sie auf den silbrigen Bauklötzen, hingeworfen wie das Spielzeug eines Riesen, auf dem Dach des altehrwürdigen Grazer Kaufhauses Kastner & Öhler. Die Tauben ruhen sich aus, während die Spatzen und Schwalben noch munter durch die Lüfte segeln. Ich sitze hoch über der Stadt im Shelter wie in einem riesigen Nest, duftend nach Holz, verbunden und geschützt durch Glas. Darin spiegelt sich der rechteckige Lichtstreifen des Innenraums, wiederholt sich in sich selbst und gibt den Blick frei auf Graz – die ewige Stadt. Auch ich kann hier ein Vogel sein, wohlbehütet in meinem Nest. Vielleicht ein Dodo, aber diese Vögel waren viel zu schmackhaft und genießbar. Das bin ich nicht. Auf den Schloßberg gehörte einst der Waldrapp und mit diesem Vogel verbindet mich zumindest meine Frisur…
(…)
Das lichtumstrahlte Rechteck lenkt meinen Blick entlang des grünen Bandes der Mur in den Gries. Dort ist meine Heimat, dort fühle ich mich besonders wohl. Die Dämmerung taucht die Berge, die in hintereinander liegenden Hügelreihen verblassen, in das Blau der Nacht. Der Gesang der Vögel weicht langsam dem Flügelschlag der Fledermäuse. An der Glasscheibe klebt eine Florfliege. Ich muss mich zurückhalten, sie nicht mit meinem Schnabel aufzupicken. Auch für mich ist es nun an der Zeit davonzufliegen – durch das Fenster aus Licht hinein in einen neuen Abend.